Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 13.07.2017 bestätigt, dass der Informationsanspruch auf Zugang zu Dokumenten der Organe weit auszulegen ist. Ein deutsches Industrieunternehmen hatte gegenüber der Kommission Einsicht in von der Bundesrepublik Deutschland übermittelte Dokumente mit Angaben zur vorläufigen Zuteilung von kostenlosen Berechtigungen verlangt. Das Unternehmen klagte ohne Erfolg vor dem Europäischen Gericht (EuG) gegen die Entscheidung der Europäischen Kommission, vor Abschluss des Entscheidungsprozesses keine Einsicht in die von den Mitgliedsstaaten zur Verfügung gestellten Dokumente zu geben. Das EuG war in seinem Urteil der Argumentation der Kommission gefolgt. Der EuGH hat dieses Urteil nun aufgehoben und die Entscheidung der Kommission für nichtig erklärt.
Das klagende Unternehmen hat demnach einen Anspruch auf Offenlegung der Unterlagen hinsichtlich der Aktivitäten und Kapazitätsniveaus in Bezug auf den -Ausstoß, der Anlageneffizienz und der vorläufig zugeteilten jährlichen Emissionszertifikate für die Jahre 2013 bis 2020.
Der EuGH stützt seine Entscheidung sowohl auf die Verordnung Nummer 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission als auch auf die Verordnung Nummer 1367/2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Århus-Übereinkommens. Er führt aus, dass die Verordnung Nummer 1049/2001 der Öffentlichkeit ein Recht auf größtmöglichen Zugang zu den Dokumenten der Organe gewähren will und Ausnahmen, die diesen weiten Zugang einschränken können, eng auszulegen und anzuwenden sind. Hinsichtlich der Umweltinformationen, die sich im Besitz der Organe und Einrichtungen der Union befinden, zielt die Verordnung Nummer 1367/2006 darauf ab eine möglichst umfassende und systematische Verfügbarkeit und Verbreitung sicherzustellen.
Die Europäische Kommission, gestützt vom EuG, hatte geltend gemacht, dass die Dokumente nicht zur Verfügung gestellt werden könnten, da es sich um Informationen aus einem laufenden Entscheidungsverfahren handele. Der EuGH führt in dem Urteil aus, die Europäische Kommission habe nicht darlegen können, dass die Verbreitung der begehrten Dokumente tatsächlich zu einer ernstlichen Beeinträchtigung des Entscheidungsprozesses führen würde.
Der bloße Verweis auf die Gefahr nachteiliger Auswirkungen durch den Zugang zu internen Dokumenten und darauf, dass Dritte auf das Verfahren möglicherweise Einfluss nehmen könnten, reicht, so der EuGH, für den Nachweis einer ernstlichen Beeinträchtigung nicht aus. Ebenso wenig sei der Umstand, dass die herausgegebenen Informationen dazu führen könnten, die von den Mitgliedstaaten an die Europäische Kommission übermittelten Daten in Frage zu stellen oder anzuzweifeln und dadurch zeitliche Verzögerungen auszulösen oder den Dialog zwischen der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, als Nachweis geeignet, dass der Entscheidungsprozess der Europäischen Kommission im Sinne von Artikel 4 Absatz 3 Unterabsatz 1 der Verordnung Nummer 1049/2001 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 1 Seite 2 der Verordnung Nummer 1367/2006 ernstlich beeinträchtigt werde. Der EuGH weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Europäische Kommission nicht verpflichtet wäre, sich während des laufenden Entscheidungsprozesses mit den Reaktionen der Öffentlichkeit auseinanderzusetzen.
Der EuGH hat das Verfahren nicht an das EuG zurückverwiesen, sondern nach Artikel 61 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union selbst entschieden und die Entscheidung der Europäischen Kommission für nichtig erklärt.
Aktenzeichen: EuGH C-60/15 P